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Myriaden

„MTViva liebt dich“, eine Zeile aus dem 1997er Hit „Popstar“ der Hamburger Rockband Selig, hatte viel Wahres und gleichzeitig Verstörendes für die Truppe. Nach vier Jahren auf Dauerrotation im Musikfernsehen und Top-Bühnenzeiten bei den großen Festivals, war kurz nach dieser Zeile Schluss: kollektives Burnout. Erst 2008 kamen die Herren wieder zusammen und konnten an die erfolgreichen Zeiten anknüpfen. Nun legen sie mit „Myriaden“ (Vertigo Berlin/ Universal Music) das bereits fünfte Album seit dem Comeback vor.

Der Opener „Süßer Vogel“ ist eine Erinnerung an die wilden 90er und die eigene Sturm- und Drangzeit. Auf „Alles ist so“ zeichnet Sänger Jan Plewka ein düsteres Weltuntergangs-Szenario, hofft aber am Ende, „dass die Welt so nicht untergeht“. Musikalisch funky und textlich im wörtlichen Sinne abgedreht geht es mit dem „Spacetaxi“ durch die Galaxie.

Nach dem ultimativen Trennungslied „Ohne Dich“ vom Debutalbum gibt es nun mit „SMS K.O.“ einen erwachsenen Nachfolger. Der Empfänger der Textnachricht trauert zwar auch der Beziehung nach, empört sich aber noch mehr über die Art und Weise des Schlussmachens. Er meint, dass das Ende „wenigstens einen Anruf wert gewesen“ wäre.

Der Titel „Selig“ eröffnet die zweite Albumhälfte und ist der einzige richtige Rocker auf „Myriaden“. Berührend wird es, wenn Plewka eine musikalische „Postkarte“ an seinen verstorbenen Vater sendet. Ausschließlich mit akustischer Gitarre und Streichern instrumentiert und vom typischen Sound einer kratzenden Schallplattennadel untermalt, entwickelt er ein nachdenkliches Trauergespräch.

„Zeitlupenzeit“ und „Du“ lassen das Album ganz entspannt nach knapp 45 Minuten ausklingen.

Nach drei Alben in Eigenregie und mehreren Produzentenwechseln arbeiten Jan Plewka, Christian Neander, Leo Schmidthals und Stoppel Eggert seit mehr als 20 Jahren erstmals wieder mit Franz Plasa zusammen, dem Produzenten ihrer ersten Bandphase. Herausgekommen ist dabei alles andere als ein Griff in die musikalische Mottenkiste. „Myriaden“ ist das ruhigste Werk in 28 Jahren Bandkarriere. Wer die alten Rockzeiten à la „Wenn ich wollte“ erwartet, wird vermutlich enttäuscht sein. Wer einer Band, deren Mitglieder mittlerweile alle jenseits der 50 sind, auch andere Facetten zugesteht, wird das Album als gelungenes erwachsenes Werk mögen.

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