DONOTS – „Du musst nicht unbedingt ein Assi sein“
Wie entstand die Zusammenarbeit mit Ingo Neumayer [Anm. d. Red.: der Autor]?
Er wollte immer mal so was in der Richtung machen. Außerdem kommen mehrere Dinge zusammen, die Sinn gemacht haben: Ingo ist ein guter Schreiberling und er hat uns durch seine Zeit beim Visions Magazin über eine ganz, ganz lange Zeit begleitet. Wir sind uns 1997 oder 1998 das erste Mal über den Weg gelaufen, er hat auch in Münster gewohnt. Er ist ein guter Freund und war an wichtigen Punkten einfach schon dabei: Als wir den Deal unterschrieben haben, die zweite DIY-Platte gemacht oder in London mit Millencollin gespielt haben. Wir hatten auch erst überlegt das Buch selbst zu schreiben, aber dieser Blick von außen ist einfach Gold wert.
War das auch eine „wir nehmen lieber einen Freund“-Entscheidung?
Das hat natürlich auch eine ganze Menge mit Vertrauen zu tun, jemanden zu finden der das Baby delikat behandelt, weil er auch um unsere Gemütslagen weiß. Es gibt ja auch ein Kapital über meinen Burnout, durch den sich eine Angststörung entwickelt hat. Ich musste für eine Japantour Psychopharmaka nehmen, um überhaupt den Flug zu überstehen. Das ist etwas, was du nicht jedem erzählst, damit er es niederschreibt. Das ist das Tolle an Ingo: Er ist ein sehr intelligenter Typ und hat eine wahnsinnige Empathiefähigkeit, aber auch genauso einen Dachschaden wie wir.
War es schwierig diese Themen wieder auszugraben und sich nochmal emotional damit auseinanderzusetzen?
Ehrlicherweise hatte das eher eine reinigende Wirkung. Viele Freunde von mir haben mir jetzt die Rückmeldung gegeben: „Krass! Ich wusste gar nicht wie scheiße es dir damals ging.“ Damals wollte ich das aber auch nicht an die große Glocke hängen. Es ist superwichtig, dass Angststörungen heutzutage thematisiert werden dürfen. Damals war es zwar nicht tabuisiert, aber trotzdem ein gewisses Stigma: Sich nackig machen vor Leuten und sich das auch selbst einzugestehen. Es ist viel besser offen darüber reden zu können.
Wie lange ist die Idee in euch gereift und in welchem Zeitraum wurde das Projekt dann umgesetzt?
Das ist schon eine Mammutaufgabe, das erste Mal dazu getroffen haben wir uns im 24. Bandjahr, und veröffentlicht wird es jetzt im 27. Bandjahr. Auch da hat uns Corona so ein bisschen einen Stock zwischen die Beine geworfen. Ursprünglich sollte es bereits letztes Jahr erscheinen, es waren Lesedates geplant, Frank Turner hatte uns damit zu seinen „Lost Evenings“ in Berlin eingeladen, wo ich auch moderiert hätte. Letztendlich fertig waren wir dann gegen Ende letzten Jahres. Allerdings fanden wir es bescheuert mit den 25 Bandjahren zu enden und mit Scheuklappen durch die Welt zu laufen als ob Corona nie stattgefunden hätte. Deshalb haben wir den Epilog noch ergänzt.
„Sign of the times“
Ich finde das total wichtig ein so einschneidendes Ereignis für die Welt gebührend festzuhalten. Einfach auch den Respekt davor zu haben. Es ist an so vielen Stellen relevant, das geht nicht das nicht zu beleuchten. Eigentlich ist das genau richtig für so ein Buch. Es sind sowieso keine Shows, man hat auch mal Lust auf etwas anderes – gleichzeitig kann man in Erinnerungen an bessere Zeiten schwelgen, die hoffentlich auch wiederkommen.
Wie wurden die Gespräche für das Buch geführt?
Ingo hat immer mit einigen Kapiteln angefangen und uns diese dann in einem Google Doc vorgelegt mit der Bitte, darüber zu lesen: Woran erinnert ihr euch oder fällt euch noch was ein? Sobald ein „Ich habe mich nicht so gefühlt wie du das schreibst“ kam, gab es daraufhin ein Einzel-Interview.
War von Anfang an klar, dass ihr die Handlung chronologisch aufbauen wolltet?
Das große Thema des Buches ist ja der Zeitraum. Es ist kein Buch, welches sich von Skandal zu Skandal hangelt. Es ist eines, welches ganz stumpf nachzeichnet: Du musst nicht unbedingt ein Assi sein, um erfolgreich zu sein. Man lebt damit jüngeren Bands auch vor, dass es sich lohnt am Ball zu bleiben. Du musst nicht in erster Linie Attitüde oder Glück haben – ganz viel ist auch dieser Marathonläufer-Ethos. Dass man sich eben nicht zu schade ist 700 km zu fahren damit da zwei Leute stehen und es kein Spritgeld gibt.
Habt ihr die Weggefährten gemeinsam mit dem Autor ausgewählt?
Das mag jetzt pathetisch klingen, aber wir haben so viel Familie und Freunde gefunden in der ganzen Zeit. Das hat sich jetzt wieder bewahrheitet, wie schnell man auf die zählen kann. Ich hatte das mal so eingeworfen, was wir für das Buch noch machen könnten, was es spezieller macht. Zuerst wollten wir Top 5-Listen machen, aber dann sollten Weggefährten zu Wort kommen. Ich hab dann Walter Schreifels von Gorilla Biscuits angeschrieben, Royal Republic, Feine Sahne Fischfilet, Sergie von Samiam, Flogging Molly, usw… Eigentlich hatten wir damit gerechnet dass ein „keine Zeit“ zurückkommt. Aber alle waren postwendend dabei.
Wäre euer Buch eine Platte, wäre es mindestens eine Fanbox, so liebevoll wie ihr das Paket dafür geschnürt habt. Wolltet ihr das selber unbedingt?
Ich bin bis zum heutigen Tage Die Hard-Fan von so vielen Bands und freue mich so sehr, wenn ich merke, das meine Lieblingsband sich dieses kleine Quäntchen mehr Mühe gegeben, oder sich ein bisschen mehr Gedanken gemacht hat. Das macht doch gerade das Kribbeln aus. Genau deswegen ist man doch Fan. Früher war es ein totaler Kampf Fan einer Band zu sein und überhaupt etwas zu bekommen. Heute musst du nur einmal Facebook oder Instagram öffnen und wirst zugeschmissen mit Infos.
Wie viel Spaß hat euch die Sichtung der eingegangenen Beiträge gemacht, die ihr für die Collage verwendet habt?
Das ist ja nicht nur eine Sache die wir den Fans schenken, sondern das Buch schenken wir uns auch selbst. Das ist ein bisschen wie ein altes Fotoalbum angucken. Wenn du dir dabei eine schöne Flasche Rotwein aufmachst, wirst du schon schwelgerisch. Ganz oft schämt man sich auch wie beschissen man ausgesehen hat. Meine Tochter lacht sich darüber kaputt wie Papa mal ausgesehen hat.
„Ich bin nicht stolz auf meine Fehler, aber dankbar für jeden“ (aus dem Song „Straßenköter“)
Das ist das Credo unserer Band: Du kannst nicht alles perfekt machen, du musst auch Rückschläge erleben. 2006 haben wir uns aus unserem Major Deal heraus geklagt, weil wir da nicht mehr sein wollten. Gleichzeitig mussten wir uns aber damit eingestehen, jetzt erst einmal wieder richtig kleine Brötchen zu backen. Aber auch das hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt stehen. Wir haben keinen klassischen Superstar-Weg, sondern immer Wellen in unserer Vita. Oasis haben schon ganz recht: Don‘t look back in anger!
Wie schafft ihr es, den Spagat hinzukriegen die Fans aus den Anfangstagen genauso zu begeistern wie die Jugend?
Weißt du woran das liegt? Weil wir uns darüber keine Gedanken machen! Wenn du dir überlegst – am besten noch per Powerpoint-Präsentation oder Excel-Tabelle – was man machen könnte, um demografisch möglichst junges Publikum abzuholen, ist das verkehrt. Es ist doch scheißegal wie alt du bist: Wenn eine Band auf der Bühne authentisch ist, dann holt sie dich ab. Wenn du aber nur irgendwelchen Trends hinterherläufst bist du der letzte Klappspaten. Sei einfach du selbst. Und das ist unser großes Glück: Wir dürfen uns seit Jahren auf der Bühne benehmen wie Kinder, je mehr kaputtgeht, desto größer ist der Applaus.
Fotocredit: Tobias Sutter
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