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Dunkel

Zeit für etwas Neues? Zumindest besingen es Die Ärzte in der ersten Single zu „Dunkel“ so. Doch: Ist es wirklich schon wieder Zeit? Gerade einmal zwölf Monate sind seit dem Vorgänger „Hell“ vergangen. Das Album, das BelaFarinRod nach dem schwachen „auch“ wieder von ihrer besten Seite gezeigt hat. Die Gefahr, durch einen solchen Schnellschuss erneut schwach abzuliefern, ist natürlich hoch.

Wer bei „KFM“ an einen Radiosender denkt, kennt die Wortspiele von DÄ schlecht. Die lupenreine 1,2,3,4-Hau-Drauf-Nummer eröffnet den Reigen. Die uralte Frage, ob die Herren noch Punkrock sind, beantworten sie mit reichlich Selbstironie: Die Abkürzung und Genre-Einordnung steht nämlich für Karnickel-Fick-Musik.

Bei der zweiten Nummer will Farin von seiner Ex nicht „Wissen“, wie es ihr geht. Ein klassischer Rocker, wie man ihn vielleicht auch auf seinen FURT-Scheiben erwarten könnte.

Dass Die Ärzte Nazis „Doof“ finden, ist allseits bekannt. In diesem Stück erklärt Bela – unterstützt von Kuhglocke, Bläsern und einem Kinderchor – warum es sich nicht lohnt, überhaupt mit ihnen zu reden.

Highlight ist das druckvolle „Kraft“. Schlagzeug und Bass eröffnen und Farin haut seine Zeilen als Sprechgesang heraus. Um Worte, und was sie anrichten können („Worte bringen dich zum Lachen, Worte bringen dich zum Wein´n“), geht es in diesem Titel. Die Gitarre jault förmlich im Refrain und bekräftigt die Aussage.  

Ein richtiges Brett ist die Single „Noise“. Eine fette Gitarrenwand eröffnet das Lied. Das erste Mal seit „Schrei nach Liebe“ teilen sich Bela und Farin die Gesangsspuren. Ein klassischer Ärzte-Hit mit hohem Mitsing-Faktor.

In „Einschlag“ philosophiert das lyrische Ich von Bela, warum er seine Freundin erschlagen hat und wie er mit der Schuld leben kann. Der vielleicht stärkste Felsenheimer-Song seit Jahren.

„Nicht schon wieder Vampir-Musik“ denkt man dank Kirchenglocke und Wolfsgeheule unweigerlich in den ersten Sekunden von „Nachmittag“. Doch dann entwickelt sich eine country-ähnliche Nummer, in der – ausgleichende Gerechtigkeit – diesmal Bela von seiner Freundin umgebracht wird. Noch im Sterben wünscht er sich dennoch einen Kuss von ihr – „Liebe ist (halt) kompliziert“.

Gegen Ende der Platte wird es ein wenig flacher. Insbesondere „Danach“ erinnert in der Gesangslinie an das bessere „Ein Bier“ aus dem letzten Jahr.

Den Schlussakkord setzte eine Hymne an die Demokratie und dem Aufruf, „Dein Kreuz gegen Hakenkreuze“ zu machen. Wie die Band in Interviews erzählte, fand Rod diesen Text zu plump. Aber Die Ärzte wären nicht sie selbst, wenn sie das nicht direkt im Titel klarmachen würden: „Our Bass Player Hates This Song“.

Was bleibt nach über einer Stunde Spielzeit? Wenig ärzte-typischer Witz, dafür viele ernste Themen und politische Messages. Am Ende ein insgesamt gelungener Longplayer. Allerdings gilt „All Killer No Filler“ auf „Dunkel“ nicht. Ein paar Tracks weniger hätten einer durchgehenden Qualität gutgetan.

Über Die Ärzte und ihre Historie, die Alben, Konzerte und mehr wurde übrigens im Whiskey-Soda-Podcast diskutiert, den Ihr hier nachhören könnt.

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