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Kompass zur Sonne

In Extremo und Tanzwut – manchmal scheint das ein ungewolltes Duell um die Krone des härteren Deutschrocks mit mittelalterlicher Instrumentierung zu sein. Die abgedankten Könige von Subway To Sally sind aufgrund des seltsamen Verlustes jeder Songwritingqualitäten mittlerweile vollständig abgehängt. Tanzwut haben mit ihrem letzten Album die Latte extrem hoch gelegt.

 In Extremo bemühen sich erkennbar, nachzuziehen und veröffentlichen mit „Kompass zur Sonne“ eines der besten Alben ihrer Karriere. Während beim letzten Tanzwut-Album generell ein passender Hauch von Melancholie durch die thematisch marin angehauchten Songs weht, sind es bei In Extremo eher klassische Gassenhauer, denen die Melancholie auch mal abgeht und die durch eher forsches Draufhalten charakterisiert sind.

Die Melodien und die Catchiness der Refrains passt, mitgrölen geht größtenteils nach dem zweiten Durchlauf. Lediglich „Schenk noch mal ein“ mit seinem Letzte-Runde-vor-der-Sperrstunde-Gefühl fährt etwas herunter. Die beiden absoluten Highlights sind aber eben die Songs, die genau die Melancholie auffahren, die den grobschlächtigen, sperrigen Stücken fehlt: „Wer kann segeln ohne Wind“ ist ein Duett mit den Jungs von Amon Amarth, die ihren Teil des Songs auf schwedisch beisteuern, und das abschließende „Wintermärchen“ ist klassische Lagerfeuer-Bardenmusik.

 Insgesamt, auch im Vergleich zu Tanzwut, wird klar, dass Dudelsack, Schalmei, Drehleier, Maultrommel und Co. fast zwangsweise melancholische Töne benötigen, um wirklich herausragend zu sein. Wie auf vielen anderen Alben von In Extremo sind alle Songs mindestens gut, sie machen aus den „normalen“ Tracks das Beste, was man herausholen kann. Die andere Seite der Dudelsackmelodien – Rausschmeißer mit punkiger Sauf-Attitüde – sind alle am Anschlag dessen, was an Qualität geht – siehe „Reiht Euch ein, Ihr Lumpen“, ein ideales Sauflied vor dem Herrn, sowie der folkige Hummppa-Arschtritt „Gogiya“ der mit den Kollegen von Russkaja eingespielt wurde.

Den Mittelweg mit harter Musik und melancholischen Dudelsäcken trifft „Salva Nos“ punktgenau.

Kurzum – Tanzwut ist Besäufnis mit Rotwein, In Extremo ist Besäufnis mit Craft Bier. Beides kann je nach Gelegenheit besser sein.

Die Hälfte der Songs auf „Kompass zur Sonne“ sind herausragende Highlights, und die schwächere Hälfte der Tracks ist weit besser als sonst – was dieses Album tatsächlich zum besten In Extremo – Album seit langem macht.

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