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Le Fantastique Envol de Dieter Böhm

Auf einer einsamen Insel sitzt kein Robinson, sondern ein Musiker, der eine einzelne Note spielt, aus der eine Melodie wird, die sich zu einem ganzen Lied entwickelt. Diese Melodie übergibt er den Wellen, und sie wird von ihnen von Küste zu Küste getragen. So beschreibt die französische Band Lazuli ihr neuntes Studioalbum mit dem ungewöhnlichen Titel „Le Fantastique Envol de Dieter Böhm“ (Eigenproduktion / L’Abeille rôde), eine „versteckte Allegorie an alle Fans“, wie es im Pressetext heißt.

Das Album erzählt die metaphorische Geschichte einer Band und ihrer Zuhörer. „Der fantastische (Ab)Flug des Dieter Böhm“ heißt der Titel übersetzt, und schon das Cover macht deutlich, dass es in der Tat fantastisch und außergewöhnlich zugeht, denn Dieter Böhm reitet auf einem Vogel. In vier Akten, einem Prolog und einem Nachwort wird mit neun Tracks die Geschichte dieses Fluges erzählt. Die Titel sind für Prog-Verhältnisse also alle relativ kurz und bringen es insgesamt auf eine knappe Dreiviertelstunde Laufzeit. Schon im zweiten Song merken auch Lazuli-Neulinge, dass hier etwas ganz Besonderes geschieht. Nach dem Intro mit elektronischen Beats wird eine ruhige Atmosphäre aufgebaut, die sich in der zweiten Hälfte des Tracks in einem musikalischen Höhepunkt entlädt, der nur als ganz großes Ohrenkino bezeichnet werden kann.

Die bereits 1998 gegründete Band um das Brüderduo Dominique und Claude Leonetti lässt sich schwer in ein musikalisches Genre einordnen. Progressive Rock wird mit Folk, Ethno, Chanson und Weltmusik vermischt, Gitarre und Keyboards treffen auf Horn und Marimba, wobei die letzten beiden Instrumente auf dem neuen Album leider kaum noch zu hören sind. Über allem schwebt der einzigartige Klang der optisch ein wenig an einen Chapman-Stick erinnernden Léode, dem von Claude Leonetti erfundenen Instrument, dessen Sound irgendwo und vollkommen einzigartig zwischen Geige, Gitarre und Synthesizer verschwimmt. Ebenso außergewöhnlich und prägnant ist auch der in französischer Sprache vorgetragene, extrem hohe Gesang Dominique Leonettis. Dies alles verleiht den Songs einen ganz eigenen Charakter und macht Lazuli tatsächlich zu einer sehr eigenständig klingenden Band.

Technisch liefern Lazuli erwartungsgemäß eine erstklassige, detaillierte und bei Bedarf auch druckvolle Produktion ab, die sich nahtlos in die Reihe ihres herausragenden musikalischen Œuvres einfügt. Abgerundet wird das Album durch ein umfangreiches 60-seitiges Booklet mit Texten, Zeichnungen und Hintergrundinformationen zur Geschichte des Dieter Böhm. Diese Geschichte ist definitiv eines der besten Prog-Alben des jungen Jahres. Wir verneigen uns vor Lazuli.

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