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STEFAN KLEINKRIEG – „Es gab immer mal Zeiten, wo man gesagt hat: Komm, Schluss!“

Der Gitarrist und Gründer von Extrabreit Stefan „St.“ Kleinkrieg hat neben seiner Stammband immer schon sein eigenes Ding gemacht. Bereits in 80-ern war der kreative Output so groß, dass er trotz der damaligen Riesen-Erfolge die ersten Werke unter eigenem Namen (und für andere Künstler) veröffentlichte. Mit „Die Sonne scheint für alle“ legt der 66-jährige Musiker nun einen weiteren Alleingang vor. Wie Whiskey-Soda sein neuester Streich gefallen hat, könnt Ihr übrigens hier nachlesen.

Pünktlich zum Release beantwortet Stefan uns viele Fragen zur neuen Scheibe, dem Entstehungsprozess in Pandemie-Zeiten und wie sich die Reise mit seinem musikalischen Mutterschiff (Eigenzitat) nach über 40 ereignisreichen Jahren mit höchsten Höhen und einigen Tiefpunkten anfühlt.

 

Hallo Stefan, Grüße nach Hagen! Glückwunsch zur neuen Scheibe „Die Sonne scheint für alle“!

Danke!

 

Die letzte Scheibe „Auf Ex!“ (2020) Deiner Hauptkapelle Extrabreit ist ja leider pandemiebedingt ein wenig unter dem Radar gelaufen. Kommt die jetzige Solo-Veröffentlichung aus reinem Trotz oder überwiegt der Optimismus?

Reiner Optimismus und Beschäftigungstherapie! Die Sache hat sich eigentlich von allein entwickelt. Ich hatte vor, ein paar Songs nur mit Holzgitarre und Stimme aufzunehmen. Dann kam die Pandemie und mit ihr lobte NRW ein Stipendium aus, für das ich mich beworben habe. Das wurde mir auch zugeteilt, dann habe ich gedacht: Gehst du halt in ein gutes Studio und die Jungs, also Freunde von mir, machen mit. So hatten alle was davon.

Dass dann unser Extrabreit-Verleger Michael Kramer einen Industrie-Deal besorgen konnte, stand gar nicht auf dem Zettel. Aber … ich beschwere mich nicht!

 

 

Wie lief die Arbeit an „Auf Ex“ und „Die Sonne“ in der Corona-Zeit ab?

Ehrlich gesagt, wenn man spielt oder singt, gibt es keinen Unterschied. Wir hatten bei den Kleinkrieg-Aufnahmen schon sehr früh Covid-Schnelltests, die wir auch benutzt haben.

Es gab dann in Hagen auch eine Zeit lang Ausgangsbeschränkung und allerlei … aber bei Aufnahmen lebt man irgendwie sowieso in so einem Höhlensystem.

 

Wie kannst Du das Songwriting für Deine Solo-Sachen erklären? Schreibst Du gezielt für Dich oder sind das Sachen, die bei Extrabreit (respektive Kai Havaii als Co-Schreiber) nicht mehrheitsfähig waren?

Hier, bei der „Sonne“, war es speziell für mich.  Die nicht „mehrheitsfähigen“ Lieder habe ich der versammelten Öffentlichkeit auf meiner Guerilla-Produktion  „ABGELEHNT“ zugänglich gemacht. Es gibt Leute, die finden das Album ganz toll und andere sagen, ich solle mich schämen … Gott, jedem recht getan, ist ein Ding, das keiner kann.

 

Woran merkst Du, dass der gerade entstandene Song „Solo“ oder „Extrabreit“ ist und was ist der Unterschied, wenn Du mit Kai zusammen schreibst – gibt es da eine klare Arbeitsaufteilung (Kai Text, Du Musik?)

Wir haben da so eine „Extrabreit-Standard-Vorgehensweise“. Aber in letzter Zeit weichen wir davon auch oft ab. Zum großen Teil habe ich einen Musiktrack schon ziemlich arrangiert und Kai macht einen Text drauf – und natürlich die Gesangsmelodie. Das wird dann von der Band in Form gebracht. Oder heute im Studio kann man ja auch mit den flinken Computern rumzaubern.

 

Wo hast Du Deine Begleitmusiker rekrutiert, die ja – mit Verlaub – alterstechnisch Deine Söhne sein könnten, bzw. warum hast Du Dich nicht von den Extrabreit-Kollegen unterstützen lassen, wie bei zumindest einigen Deiner eigenen Sachen?

Ja, die sind schon noch was frischer als meiner einer. Das sind Musiker, die sich hauptsächlich in dem von mir frequentierten Backyard76 Studio rumtreiben.

Ein paar von denen arbeiten auch ab und an für die Breiten. Lars Larsson (Extrabreit-Bassist) hat mir ja auch geholfen.

 

Bei „Wilhelmsplatz“ besingst Du lange vergangene Zeiten, an die Du „sepiafarbene“ Erinnerungen hast. Würdest Du Dich – auch musikalisch – grundsätzlich eher als Nostalgiker einschätzen oder immer der Zukunft zugewandt?

Nun, ich schaue ja mal ganz unromantisch auf mehr Zeit zurück, als vor mir liegt. Und das ständige Beschwören der Zukunft und der Drang, immer wieder etwas Neues aus dem Hut zu zaubern, liegt mir nicht so. Wenn es mal gut ist, bin ich zufrieden und freue mich auch darüber, wenn es gut war.

 

 

Wenn man die neuen optimistischen und positiven Songs (und auch den Sound) mit den düsteren Nummern und Klängen von „Säure“ vergleicht, könnte man fast meinen, das sind zwei verschiedene Künstler. Wie erklärst Du diesen gravierenden Unterschied?

Dazwischen sind mehr als 20 Jahre Zeit vergangen. „Säure“ entstand in einer Zeit, in der ich eigentlich nicht so wirklich wusste, wohin mein Weg mich führt – musikmäßig und überhaupt. Wir hatten ja gerade die Breiten zu Grabe getragen und es war alles ein tiefes Loch. Bumm! Hast recht, da war ich ein anderer.

 

„Säure“ ist auch das älteste Album auf den Streaming-Portalen. Kann man mit einer Veröffentlichung Deiner ganz frühen Solo- („Nur für Jungs“ und „Mona Liza Overdrive“) oder den fehlenden Extrabreit-Scheiben („Sex After 3 Years“ oder „Hotel Monopol“) rechnen?

Da sind wir gerade dran. Mich würde das auch freuen. So den digitalen Fußabdruck …

 

Eure Karriere mit Extrabreit läuft ja kontinuierlich auf und ab. Die Mega-Erfolge zu Beginn der 80-er mit der darauffolgenden Flaute, das große Comeback Anfang der 90-er, dann komplette Band-Umbesetzung und Auflösung ´98. Und dann das langsame Comeback 2002, erst mäßig beachtet, dann mit stetig steigenden Zuschauerzahlen auf den mittlerweile meist ausverkauften Weihnachts-Blitz-Tourneen. Gab es Zeiten, in denen Ihr aufgeben wolltet?

Was denkst du? Es gab immer mal Zeiten, wo man gesagt hat: Komm, Schluss! Aber irgendwie hält uns etwas auf, den letzten Schritt zu tun. 1998 hatten wir es ja gemacht und es sollte auch für immer sein … aber uns wurde rasch klar, das Leben mit Extrabreit ist irgendwie besser, kompletter … ich kann es nicht erklären, es ist Leidenschaft, Passion oder so‘n Scheiß!

 

Ihr habt mit fast schon resignierenden Worten Eure Tour im November nach den Shows in Bremen und Münster abgesagt, die mit 2G+ ohne Abstand und Maske laufen sollte. Wie habt Ihr die beiden Konzerte im November wahrgenommen, und wie sehr hat Euch die erneute Absage getroffen?

Ach, das grenzt an Lagerfeuergeschichten. Wir waren einfach traurig. Wir freuen uns das ganze Jahr auf diese November- und Dezember-Shows und hatten zweckoptimistisch gedacht … es geht wieder los! Na ja, war nichts. Wer, so wie wir, hauptsächlich durchs Live- Spielen seinen Unterhalt bestreitet, der ist dann doch anders betroffen als die letzten deutschsprachigen Topseller.

 

 

Wie sehen Eure und Deine persönlichen Pläne für dieses Jahr aus – natürlich unter der naiv-optimistischen Annahme, dass Corona uns alle bald wieder lässt?

Immer ein Tag nach dem anderen. Das habe ich mir vorgenommen. Jetzt veröffentliche ich die „Die Sonne scheint für alle“ mit einem dazugehörigen Gig am 25.02. hier in meiner Heimatstadt und dann warte ich mal ab, was die wunderbare Welt der Musik noch für einen alten Fahrensmann bereithält.

 

Lieber Stefan, wir wünschen viel Erfolg und dem alten Fahrensmann stets „Billiges Benzin“ (Erste Single des Albums) und bis hoffentlich zur Weihnachts-Blitz-Tournee!

 

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Fotocredit: Dirk Schmidt

 

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